Die Osterwiecker Erztaufe

Das mächtige Taufbecken, dessen sparsame Verzierungen den archaische Eindruck seiner angedeutet glockenförmigen, konischen Form noch verstärken, gehört zur Gruppe der mittelalterlichen, norddeutschen "Erztaufen".

In Norddeutschland, wo große und leicht zu bearbeitende Steine nicht so häufig sind, gibt es besonders viele solcher aus Metall, häufig von Glockengießern geschaffener Becken. Lutze berichtet über 289 „Metallene Taufbecken des Mittelalters". Je nach dem verfügbaren Metallen wurden solche Becken aus Bronze (Kupfer und Zinn), Messing (Kupfer und Zink), auch reinem Kupfer, in manchen Gegenden aus Blei (England und Normandie), Zinn (Böhmen) oder auch Gußeisen (Lothringen) gegossen. „Bronze überwiegt da, wo wie am Harz bis an die Nordsee und bis nach Brandenburg Kupfer nahe war". Auf dem Gebiet des heutigen Osterreich dagegen (Christiner) ist das aus Zinn und Blei bestehende (Lutze) Taufbecken des Salzburger Doms die einzige gegossene mittelalterliche Taufe.

Das Osterwiecker Becken wird von Trägern, 90 - 91 cm hoch gehalten und hat einen Durchmesser von 89 cm und ist 52 cm hoch (Lutze).

Es hat eine weitgehend konische Form (ca. 81°), schon unterhalb des oberen Randes schwingt die Wandung ähnlich einer Glockenrippe aus. Der Beckenboden ist flach. An einer Seite ... ist ein halber Ring als Deckelhalter eingegossen. ...

Drei umlaufende Ornamentbänder am unteren Rand, in mittlerer Höhe der Wandung sowie an der Schräge unter dem oberen Rand sind aus einem breiten erhabenen Band herausgearbeitet oder mit einem Stichel gleichmäßig kantig nachgearbeitet. Die Ornamentbänder zeigen oben Palmetten in vertikalem Herzrahmen mit nach oben gerichteter Spitze, in den Zwickeln zwei Blättchen. In der Mitte Palmetten in horizontal symmetrisch gereihten Herzrahmen-Paaren, zwei Blättchen in den Zwickeln über und unter den Spitzen und unten Wellenranken mit wechselständig abzweigenden Weinblättern mit gravierten Blattrippen und vielfach gekerbten Rändern. Unregelmäßige vegetabile Formen in den Zwickeln. Von anderer Hand oder nach differenzierter Vorlage geschnitten. ...

Die nicht durchgehend konische, sondern zum oberen Rand hin ausschwingende Beckenform läßt eine relativ späte Entstehungszeit annehmen, eher zum Ende der 2. Hälfte des 13. Jahrhunderts. Mit seinen 4 Trägern gehört die Osterwiecker Erztaufe zum Tägerfiguren-Typus der Taufbecken: „Die vier Trägerfiguren stammen aus derselben zweiteiligen Model, seitliche Gußnähte ..." [hierzu ist aber zu bemerken (Thiele 2006), daß dies für einen der Träger nicht zutrifft, der rechte Fuß ist plump und ohne Zehen, was in Osterwieck als „zu umgehender Teufelsfuß" gedeutet wird].

 

Die Knechts-, Diener- oder Knappengestalten ... tragen die Last des Beckens leicht gebückt mit etwas vorgebeugtem Kopf auf dem Nacken ... und stehen auf einem groben, quaderförmigen Sockel mit einer für die Füße nach außen hin abgeschrägt mitgegossenen Oberseite. Die Rückseite des Körpers ist gehöhlt, die der Beine plan. Die Kalkablagerungen an der Rückseite und z.T. an den Seiten der Figuren stammen möglicherweise von einem gemauerten und verputzten Sockel, der bis an die Trägerrücken reichte. Die angedeutete Sitzhaltung ist vermutlich auf die gestuften Eckstützen in Form männlicher Figuren an späten Taufsteinen des Bentheimer Typus (Mitte bis 2. Hälfte des 13. Jahrhunderts) zurückzuführen.

Nach Spichal beträgt das Volumen der Taufe 188,5 Liter. Dies entspricht 1 Malter = 6 Himpten (187,9 Liter) in Rinteln/Weser. Aus der auffälligen Ähnlichkeit mit dem Volumen des Ebstorfer Taufbeckens von 1310 mit 187,2 Liter, was 1 Malter = 6 Himpten (186,6 Liter) in Hannover entspricht, leitet Spichal die Annahme ab, daß diese beiden Taufbecken – wie andere von ihm nachgemessene Becken für Flüssigkeiten – als „Eichmaß" für Getreide gedient haben könnten, wobei er selbstkritisch bemerkt, daß dies in keinem Falle urkundlich so belegt ist.

Der Text wurde im wesentlichen erstellt auf der Grundlage eines Textes und pers. Mitteilungen von:

Lutze, Klaus: Metallene Taufbecken des Mittelalters, 12. Osterwieck, in: Bronzegeräte des Mittelalters, Bd.7, hrg. vom Deutschen Verein für Kunstwissenschaft, in Vorbereitung,  sowie Schreiben von Dr. Klaus Lutze vom 9.7.90 an Theo Gille, Osterwieck und vom 10. und 17. 3. 2006 an Dr. Klaus Thiele, Wolfenbüttel, daraus wurde mit Kürzungen und Anpassungsänderungen „ ..." wörtlich zitiert.

Weitere Literatur:

Christiner, Rudolf: Mittelalterliche Taufbecken in Österreich, Bd. 1, Dissertationen der Karl-Franzens-Universität Graz, 1992, S. 13.

Gille, Theo: Neuer Stadtführer Osterwieck, Archiv Verlag, Braunschweig, 1998, S. 73

Greiffe, Liselotte: Erztaufen im Elbe-Weser Dreieck, in.: Heimat und Kultur – Zwischen Elbe und Weser, in: Zeitschrift des Landschaftsverbandes der ehemaligen Herzogtümer Bremen und Verden, Jg.7, Nr.4/88.

Spichal, Reinhold: Waren mittelalterliche Bronzetaufbecken auch verkörperte Raummaße, http://www2.bremen.de/info/eichamt/Historie/Taufbecken/Taufbecken.htm

Spichal, Reinhold: Jedem das Seine, Brockkamp Verlag, Bremen 1990, S. 145-152.

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